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Kolumbien - die erste Woche, von Bogota nach Salento Das Jahr neigt sich dem Ende zu, und da erinnert man sich an Vorsätze, die man sich für das neue Jahr vorgenommen hat. Einer war den Ratschlag meines Hausarztes umzusetzen, nämlich den Vitamin D-Haushalt besser zu regeln. Ich entschied mich somit die Festtage an der Sonne zu verbringen. Eine Wunschdestination war schon seit längerem Kolumbien, ein Land von dem mehrere Freunde schwärmen. Es traf sich somit bestens, dass mein Uni-Studienfreund Benni mir erzählte, dass sein guter Freund Andy Kolumbien-Reisepläne für den gleichen Zeitraum hegt! Wir waren vor 18 Jahren zu dritt in Prag und hatten zusammen viel Spass. Seither hatte ich aber Andy nicht mehr gesehen, war aber nach einem Treffen überzeugt, dass wir eine gute Reisegemeinschaft bilden werden . Am 15. Dezember 2016 um 9.10 Uhr hob der Flieger in Zürich ab ... in der Theorie! Wegen Nebels in Amsterdam wurde der KLM-Maschine die Starterlaubnis für 1.5 Stunden verweigert! 15 Minuten blieb uns in Hollands Hauptstadt, um uns ans andere Ende des Flughafens Schiphol durchzukämpfen, bevor das Flugzeug abheben sollte. Unsere Bedürfnisse - WC und Wasserflasche - blieben widerwillig auf der Strecke, aber man muss Prioritäten setzen. Knapp vor der Zeit des Abhebens trafen wir am Gate ein und … wurden an Bord gelassen . Das Flugzeug stand glücklicherweise noch am Dock undbewegte sich schlussendlich mit einer Verspätung von einer Stunde in Richtung Startpiste. Entspannt lehnten wir uns in unsere Economy-Comfort Sitze zurück und genossen die filmischen und kulinarischen Leckerbisse. Dies war zunächst „The infiltrator", ein Film über die … kolumbianische Drogenmafia und dann die französische Komödie „Retour chez ma mère" - dies gilt für mich aber erst im 2017, denn jetzt heisst es - Kolumbien wir kommen!! Bogota, unsere erste Destination, erkundeten wir gleich am ersten Abend. Unzählige Leute bevölkerten die Fussgängerzone im Zentrumsquartier Candelaria und bewunderten die Strassenkünstler während sie an Maiskolben nagten. „Poker, poker, poooookeeeeeer!!!" wurde im 10-Sekunden Rhythmus geschrien. Nein, dies sind keine Gauner, die Leute über den Tisch bzw. über die Pflastersteine ziehen wollen. Genauso wenig ist dies Werbung für ein Casino, sondern das Ziel ist, ein einheimisches Bier an den Mann und selten an die Frau zu bringen. Dieser Verlockung konnten wir nicht widerstehen. In asiatischen Länder werden Insekten feilgeboten, in Bogota entdeckten wir, wie sich Leute um einen einzigen Käfer versammelten. Es war ein zu einem Grill umgebauter VW-Käfer. Kaum entdeckt, steckten auch schon Fleischspiesse in unseren Mündern . Simon Bolivar war der Leader im Befreiungskampf der Südamerikaner, um die Unabhängigkeit der spanischen Krone zu erlangen. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass viele Hauptplätze ‚Plaza Bolivar' heissen, wie auch in Bogota. Unweit von diesem befand sich unsere Art Deco-Unterkunft, betrieben von einer Filmschaffenden und einem Künstler. Der Sohn versucht sich als Profiskater in den USA und entspricht mit seinen langen Haaren und seinem Kleiderstil genau der Vorstellung eines solchen. Um einen ersten Eindruck einer Stadt zu gewinnen, liebe ich es ein Hochhaus zu erklimmen oder noch besser den Hausberg. Letzterer heisst im Bogota Montserrate, von wo sich eine prächtige Sicht auf die Millionenstadt offenbart …. wenn Wetter will. Leider war die Sicht stark eingeschränkt, als wir die schweizerische Luftseilbahn verliessen. Nichtsdestotrotz genossen wir den Ausflug, was auch unsere Lungen schätzten, durften sie frische und gesündere Luft einatmen. Am ersten Tag hatten wir nämlich eine Velotour gebucht, die uns zu den schönsten Plätzen Bogotas führten, was zumeist eindrückliche Graffitiwände waren. Anschliessend erkundeten wir die Stadt zu Fuss und blieben schon kurz darauf in einer Bar hängen, die das landestypische Getränk Chicha in verschiedenen Variationen anbot. Wir versuchten das dickflüssige vergorene Maisgetränk und kamen zum Schluss, dass dieser Drink keine Liebesbeziehung wird. Wir wandten uns somit lieber der einheimischen Bevölkerung zu, und ich schwang bereits das erste Mal das Tanzbein mit einer Latina. Ein Besuch Bogotas ist unvollendet ohne den Besuchs des Goldmuseums, das glänzende Schätze von alten indigenen Völkern beherbergt. Also machten wir auch dorthin einen Abstecher. Nebst diesem wurde uns der Besuch des Restaurants ‚Andres Carne de Res' empfohlen. Die Inneneinrichtung ist sehr speziell, hängt doch allerlei an der Decke, fast wie in einem Trödlerladen. In diesem für besser betuchte Kolumbianer endet der Abend nicht mit dem feinen Essen, sondern ist eher das Amuse-bouche, bevor zwischen den Tischen heiss getanzt wird. Amouse-bouches gibt es auch zu diesem Zeitpunkt statt, doch finden diese in der Folge zwischen Menschen statt . Gemäss meinem Reiseführer ist Villa de Leyva ein herziges Kolonialstädtchen und ein Besuch wert. Also bestiegen wir den Bus, der uns in vier Stunden zum Ziel bringen sollte - es wurden 5.5 Stunden . Zumindest war das Hotel himmlisch, es hiess ‚Villa del angel'. Per Velo erkundeten wir die Umgebung, was eine Herausforderung war, hatte mein Velo doch keine funktionierende Gangschaltung - nicht ideal in einem hügeligem Gebiet. Als erstes bewunderten wir die ‚Agua azul' oder zumindest wurde dies vom Besitzer der kleinen Seen erwartet. In Tat und Wahrheit waren dies jedoch grüne Tümpel. Als nächstes radelten wir zum Fossilienmuseum, wo u.a. das Skelett eines Kronosauriers, einer ausgestorbenen Dinosaurierart - eine Mischung von Krokodil und Haifisch -ausgestellt ist und acht Meter misst. Nur schon der Kopf beträgt drei Meter! Danach hatten wir einen Drink verdient, den wir mit auf einem Weingut einnahmen und gleich auch noch eine interessante Führung dazu buchten. Auf der Rückfahrt legten wir noch einen Zwischenstopp ein, um das aussergewöhnliche Terracotta-Haus eines spanischen Architekten zu besichtigen. Es ist eine Mischung von Termitenhügel und Alienhaus. Per Expressbus ging es in 4.5 Stunden statt den angekündigten drei Stunden zurück nach Bogota, wo wir hoffentlich das schlechteste Hotel unserer Reise buchten, zumindest war es unweit des Flughafens. Nach nicht mal 40 Minuten landeten wir in Pereira, im Cocora Tal, das für den Kaffeeanbau und die schöne Landschaft berühmt ist. Nach einer einstündigen Taxifahrt kamen wir endlich in unserer ‚Ecohotel La Cabaña' in Salento an, mitten im Grünen, umringt von Hügeln und Kühen. Kaum angekommen standen wir auch schon inmitten von Kaffeeplantagen. Während der interaktiven Tour wurden wir zu Kaffeebohnenpflücker und lernten den ganzen Prozess vom Anpflanzen der Bohnen bis zu den verschiedenen Zubereitungsarten des Kaffees kennen. Die Tour endete mit ‚What else?' als einer Tasse der braunen Brühe - ja, leider schmeckte sie mir nicht. Salento ist ein kleiner Ort, der viele Backpacker anzieht und einen hübsch dekorierten Hauptplatz birgt, auf dem bei unserer Ankunft ein Weihnachtskonzert dargeboten wurde. Eine Wanderung ist ein Muss, dergestalt dass wir an Tag zwei unseren sehr hilfsbereiten Lodgebesitzer Hector baten, uns zum Startpunkt des Treks zu fahren. 4.8 km beträgt die Wanderung namens ‚Acaine' , die uns empfohlen wurde. Angesichts des Regens genügte uns diese Distanz. Ich versuchte mir die Stimmung trotz des schlechten Wetters nicht zu vermiesen, würde dies am Wetter ja nichts ändern. Ich fühlte mich auch bald ins Computerspiel ‚MineSweeper' versetzt. Überall lagen braune Minen, denen man ausweichen musste. Diesen olfaktorisch nicht gerade berauschenden Minen konnte ich anfangs noch gut ausweichen, doch die Aufmerksamkeit liess mit der Zeit nach. Ich war glücklich, hatte ich mehr als drei Leben verglichen mit dem Computerspiel! Der zweite Schwierigkeitsgrad war auch noch gelben Pfützen aus dem Weg zu gehen. Weiter erschwerend waren rutschige Namensvettern - hätte ich mein Baseballcap ‚wetstone' nicht tragen sollen? Es erlaubte mir zumindest eine klare Sicht auf die Hindernisse, speziell auf die grössten Hindernisse, die löchrigen schwingenden Hängebrücken, die wir bestimmt ein dutzend Mal überqueren mussten. Nach zwei Stunden waren wir am Ziel, einer Hütte mit unzähligen Kolibri. Dies war jedoch nicht, was wir erwartet hatten. Dachten wir doch, dass wir nach 4.8 km wieder beim Ausgangspunkt stehen würden, stattdessen befanden wir uns weit oben auf dem Berg, wohin sich weitere Schweizer ‚verirrt' hatten. Eine Zürcherin hatte den Aufstieg auf einem Pferd bewältigt, was ich angesichts meiner matschig-braunen knöchelhohen (ursprünglich blauen) Turnschuhe mässig schätzte. Nach einer kleinen Zwischenverpflegung nahmen wir den Rest der Wanderung unter unsere Füsse - eine weitere Stunde hoch zum Punkt ‚montaña' und schlussendlich zwei Stunden runter! Während der Pause war mir aufgefallen, dass die in der Schweiz frisch geleimten Sohlen sich zu lösen begannen. Auf dem Gipfel passierte es dann - plötzlich reichte die rechte Sohle die sofortige Scheidung vom Schuh ein!! Da stand ich nun als übergossener Pudel auf 2'800m.ü.M. und hatte noch den ganzen Abstieg vor mir! Wenn man an nicht an Zufälle glaubt, dann war dies ein solcher Moment. Als ich ratlos dort stand, kam ein amerikanisches Paar auf mich zu und fragte, ob ich Hilfe brauche. Und ob ich solche brauchte, doch war ich skeptisch, dass sie mir helfen konnten. Der Mann packte daraufhin seine Wasserflasche aus. Das war lieb gemeint, dass er mir auf meinen Schock hin etwas trinken geben wollte, doch war dies nicht gerade die Hilfe, die ich benötigte. Er bot mir jedoch nichts zu trinken an, sondern begann das dicke, breite Klebband, das um seine Flasche gewickelt war, zu lösen! Für genau solche Situationen hatte er dies so vorbereitet! Er war mein Messias!!! Mit nun silbrig-einbandagierten Schuhen schaffte ich es bis ins Tal, wo ich meine Retter zu einem Drink einladen und mich auf diese Weise bedanken konnte. Die Trennung konnte ich dennoch nicht mehr verhindern, nur war sie nicht mehr zwischen Sohle und Schuh, sondern von vereintem Schuh und mir. Ich war aber auch nicht traurig, die nassen, matschigen, stinkenden Schuhe nicht putzen zu müssen . Auch Andy entging dieser mühsamen Arbeit, hatte er doch Regenstiefel von Hector ausgeliehen. Hector war es, der uns von unserem ursprünglichem Plan abbrachte, anstelle vom Flugzeug von Pereira aus (40 Minuten) den Bus (6 Stunden) zu nehmen. Spätestens als wir am 22.12.16 um 10 Uhr losfuhren, wusste ich wieder, warum wir das Flugzeug nehmen wollten Andy wegen der Dauer und ich der Sicherheit wegen. Auch wenn vor wenigen Wochen bei einem Flugzeugabsturz während des Landeanflugs nach Medellin fast alle Menschen starben, ist es sicherer im Flugzeug als was ich gerade jetzt (ich schreibe im Bus!) erlebe. Die Strasse ist kurviger als die Schweizer Bergstrassen und holpriger ohnehin. Der grösste Atemräuber für die Passagiere ist jedoch der Fahrstil. Kurven werden a priori geschnitten und doppelte Mittellinien bedeuten hier, dass zwei Fahrzeuge die gleiche Fahrspur nutzen - in unterschiedlicher Fahrtrichtung und wohlverstanden in kurvigen Bergstrassen!!! Es fühlt sich wie beim russischen Roulette an!! Einzig die Überlebenschancen sind irgendwie doch höher, uff!! Ich werde somit voraussichtlich doch Weihnachten 2016 erleben. In diesem Sinne wünsche ich dir frohe Weihnachten - wo immer du auch diese verbringst. Feliz navidades Don Lorenzo
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